45 JAHRE DESIGN – DIE 1980ER JAHRE
Wir sind in Mailand im Jahr 1980.
Eine Gruppe international renommierter italienischer und internationaler Architekten und Designer diskutiert über die ästhetischen und gestalterischen Gepflogenheiten, die gerade im Trend liegaen.
In der Luft liegt zugleich die Ablehnung der sehr hoch glänzenden, bürgerlichen und beruhigenden Trends, die sich in den Designströmungen der späten 1970er Jahre abzeichneten, und der Wunsch nach einem bahnbrechenden Design, nach einem Bruch, nach etwas Revolutionärem und Gewagtem.
Im Hintergrund läuft Bob Dylans „Stuck Inside of Mobile with the Memphis Blues Again” aus dem Album Blonde On Blonde. Ein Rillensprung lässt eine Schleife beginnen, die den Halbsatz „with the Memphis Blues Again“ wiederholt.
Eine Erleuchtung, und in diesem Moment entsteht das Kollektiv Memphis.
Die Gruppe Memphis, die Pop Art, Art Déco, Futurismus, kubistische Geometrie, Kitsch der 1950er Jahre, Kandinsky und radikale Postmoderne vereint, hat die gesamte Ästhetik und das Design der 1980er Jahre geprägt und nachhaltig beeinflusst.
Geometrische, oft asymmetrische Formen, leuchtende Farben, extravagante und originelle Linien, ausrangierte oder billige Materialien, der Triumph der Plastik.
Die Parodie der Hochkultur, die zu den anfänglichen Absichten der Gruppe gehörte, führte somit zu einer entscheidenden Begegnung zwischen Hoch- und Niederkultur, zwischen elitären Tendenzen und populären Bestrebungen.
Eine Massenästhetik, wie es sie vielleicht noch nie zuvor gegeben hat.
Ein lebendiger, fröhlicher, optimistischer, warmer und lustiger Stil, der sich wenig um funktionale Aspekte kümmert, sondern sehr auf die ästhetische Wirkung achtet und dabei einen ironischen Geschmack hat. Darunter, aber nicht mal so sehr, der Wunsch, das Leben zurückzuerobern, das ganze Alltagsleben in seinen glücklichsten, genießerischsten und hedonistischsten Aspekten.
Die sozialen, politischen und ökonomischen Angstgefühle der 1970er Jahre waren in schlechter Erinnerung geblieben und es war an der Zeit, sie endgültig hinter sich zu lassen.
Neue Moden, neue und viele jugendhafte Gruppen, neue Klänge, ein neues Vertrauen in die Zukunft, dank des Klimas der politischen Offenheit und der Einführung der innovativsten Technologien für die breite Masse.
Hier ist das Schlüsselwort des Jahrzehnts: Masse.
Designobjekte und -produkte mussten die Kraft und die Haltung, den Charme und die Linien haben, um die Aufmerksamkeit der Mehrheit der Verbraucher zu erregen.
Die Zeit der Exklusivität war vorbei, das Schaffen musste danach streben, für alle da zu sein.
Wenn man die Objekte und Produkte dieses Jahrzehnts im Archiv ADI des Compasso d’Oro betrachtet, stößt man auf den Fiat Panda, der von Giorgetto Giugiaro entworfen wurde und 1981 mit dem Preis ausgezeichnet wurde.
Eine automobile Ikone, ein Emblem der Generation, ein Familienauto für die Familie und zugleich ein konkretes Evozieren der juvenilistischen Erinnerungen Vieler. Mit einem Wort: ein Mythos.
Die kantigen und kühnen Linien des Panda prägten auch ein anderes Kultdesignobjekt des Jahrzehnts: das von Pasqui Pasini Associati entworfene telefono addizionale Cobra („Zusatztelefon“), das 1987 mit dem Preis des ADI ausgezeichnet wurde. Originell, ergonomisch, cool, das Bedürfnis, zu kommunizieren nimmt Gestalt an, die Konversation wird zum Statussymbol.
Seinem minimalistischen Stil treu bleibt hingegen die 1989 ausgezeichnete Leuchte Tolomeo von Michele De Lucchi.
Eine Kreation, die schüchtern und in aller Stille entstand, die aber immer noch jedes Jahr in einer halben Million Exemplare für jeden Winkel der Welt produziert wird.
Essentielle Form und Vielseitigkeit sind zwei Besonderheiten der Tolomeo-Leuchte, die an sich schon drei Schlüsselwörter des Mailänder Unternehmens Artemide, das sie herstellt, zusammenfasst: Technologie, Kreativität, Humanismus.
Die Leuchte war zu dieser Zeit führend in der Produktionstechnologie, ebenso wie unser letztes Objekt, der unnachahmliche Stapelstuhl 4870 von Anna Castelli Ferrieri für Kartell. Ein Compasso d’Oro-Preis wurde 1987 verliehen. Hier sind wir beieiner außergewöhnlichen und beispiellosen Synthese von ästhetischem Formalismus, Gebrauchswert und technischer Innovation: Das Plastik, das mit einem einzigartigen und unverwechselbaren Stil nach seiner eigenen Legitimation im Design ruft.
In ganz ähnlicher Weise erweitert Gaggia sein Angebot an Kaffeemaschinen für den Hausgebrauch mit „Baby Re-design“, „Espresso“, „Gran Gaggia“,„Dandy“ und „Fantastico“, indem stilistische Trends und Produktionstechnologien der damaligen Zeit integriert werden. Die Energie der 1980er Jahre beeinflusste auch die Farben der Haushaltsgeräte und damit der Kaffeemaschinen. Zusätzlich zu den traditionellen Schwarz-Weiß-Farben tauchen nun auch leuchtende und lebhafte Gelb-, Rot- und Blautöne auf. Innovation, Flexibilität, Stil und Lebhaftigkeit, wiederum für die Massen entworfen, wie es dieses glorreiche Dezennium begehrte.